Erste Schritte während der Reha ohne Rollator. Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, dass ich den vorerst noch nicht benötige. Und mit den Walking-Stöcken war das machbar. Sehr langsam, zumal auf solchem Pflaster. Aber es geht.
Erste Schritte während der Reha ohne Rollator. Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, dass ich den vorerst noch nicht benötige. Und mit den Walking-Stöcken war das machbar. Sehr langsam, zumal auf solchem Pflaster. Aber es geht.

Das war schon knapp.

Bei einer Fotoausstellung in Zühlsdorf, zu der ich eingeladen war, traf ich meinen langjährigen Kollegen und Freund Robert Roeske, Fotoreporter der MAZ. Er war sehr erstaunt mich zu sehen und dann hatten wir ein wenig Zeit, draußen miteinander zu reden.

Er meinte zu mir, es wird viel spekuliert was mit mir passiert sei. Leute machen sich Sorgen wie es mir geht. Und gemutmaßt dass ich schon unter der Erde liege wurde auch. Also habe ich mich jetzt doch entschlossen, das mal alles aufzuklären und nieder zuschreiben, wie sich alles zugetragen hat….


Es war nach einiger Zeit mal wieder ein schöner Abend, ein leckeres Essen bei Papa Asada in Oranienburg, zusammen mit einem guten Rotwein. Ein neuer Erdenmensch hatte das Licht der Welt erblickt und wir waren seelig. Beim Losgehen aber wurde mir auf einmal sehr schwindelig, so stark wie ich das noch nie erlebt hatte. Ganz neue Erfahrung und Sorge. Ich ging dann auch gleich schlafen, mal sehen was der Samstag sagt.

Da hatte ich dann schon am Morgen etwas Atemnot und Angst. Rief einen Bereitschaftsarzt an, der nicht lange auf sich warten ließ. Nach einem Check sagte er, wir machen mal die ganze Show, ich rufe ein buntes Auto, das sie mit Blaulicht in die Notaufnahme fährt. Okay, größerer Schreck!

In der Notaufnahme wurde ich durchgecheckt und man wollte mich gleich dort behalten. Da ich aber noch die Bilder vom Hennigsdorfer Neujahrsempfang fertig machen und versenden musste, ließ ich mich nach Hause entlassen. Hab ich auch alles brav geschafft und es ging den Umständen ganz gut.

In der Nacht zum Montag aber, gegen halb drei, wachte ich mit extremer Atemnot auf, ich dachte ich müsste ersticken. Auch rumlaufen brachte nichts, beim Husten sonderte ich Blut ab, was mir Sorgen machte. Ich bat meine damalige Freundin, mich wieder in die Notaufnahme zu fahren, wurde dann auf ein normales Zimmer gebracht. Mit den Insassen konnte ich mich gar nicht unterhalten, da ich um jedes Miligramm Sauerstoff rang. Nach dem Röntgen kam ich in die Intensivstation und wurde dann ins Koma versetzt…

Ich wurde auf Lungenentzündung behandelt, mehrmals In- und Extubiert, dabei wieder im Koma. Hatte Tage in der Traumwelt gelebt und, hallo, das wünsche ich meinem ärgsten Feind nicht. Diese Träume waren nicht nur makaber, ich war mehrmals einem Exekutionskommando ausgesetzt und immer ganz knapp entronnen. Und noch vieles anderes, dabei Wachträume, wo sich Realität und Fiktion überlagerten.

Hatte einmal dem Personal Stress gemacht um eine Schere zu erhalten, damit ich die ganzen Kabel und das Hemd durchschneiden konnte um es loszuwerden. Ich will das nicht ausweiten, schon die ganze Erinnerung ist für mich Schwerarbeit. Nicht schön….

Durch die lange Liegezeit haben sich meine Muskeln stark zurückgebildet, also ich musste alles wieder gaaanz langsam erlernen. Mittels Rollator und einer super Physiotherapeutin, die mich voll rangenommen hat. Da gab es kein Mitleid und das war genau das was ich brauchte. So war ich in recht kurzer Zeit schon wieder auf den Beinen.

Ich hatte dort alle Beatmungsmasken durchprobieren dürfen, manchmal hatte ich die Schnauze gestrichen voll! Unter anderem war dort Matze mein Retter, der mir als Pfleger nichts durchgehen ließ, aber immer zur Stelle war, wenn ich Hilfe benötigte, und das war oft. Und geröntgt wurde meine Lunge regelmäßig, ein leichter heller Schimmer auf dem einen Flügel gab den Ärzten Rätsel auf.

Bis ich dann nach AmSee in Waren/Müritz verlegt wurde, sollten die doch rausfinden was da nicht funktioniert. Und das haben die, Dr. Stövesand war mein erster Lebensretter, er schaffte in zwei Tagen was vorher in einem Monat nicht möglich war. Meine Lunge füllte sich schon wieder langsam mit Blut, der Appetit ließ nach.

Und Dr. Stövesand ließ nicht locker, war mit den Ergebnissen am ersten Tag nicht zufrieden, holte mich nochmal zu einem Ultraschall. Und da zeigte er mir auch gleich das Ergebnis. Fakt war, eine Herzklappe schloss nicht mehr richtig, war abgerissen, also ging das Blut zurück in die Lunge. Nun war mein Körper durch den einmonatigen Krankenhausaufenthalt sehr stark geschwächt, dazu wurde mir alles an Antibiotika eingespritzt, was es gab. Ich wurde dann wieder mal ins Koma versetzt….

Was dann passierte erfuhr ich von meiner ehemaligen Lebenspartnerin, die sich damals rührend um mich kümmerte. In Waren/Müritz ließ sie sich alles genau erklären. Ich wurde nach Karlsburg ins Herz-Klinikum (was einen sehr guten Ruf hat!) verlegt. Bernau hatte keine freien Plätze und Eile war geboten. In Karlsburg bei Greifswald wurde ihr dann gesagt, „wenn er in zwei Tagen nicht operiert wird, stirbt er. Andererseits ist sein Körper schon so stark geschwächt, dass es nur eine fünfzig-fünfzig-Chance gibt, dass er die Operation überlebt oder nicht“.

Also ich, das ER. Ja, und da waren sie, meine nächsten Lebensretter 🙂 Es hat geklappt, die Herzklappe wurde operiert und es ging sehr gut aus. Wisst Ihr wie schön das ist wenn man im Koma liegt (abgesehen von den Albträumen) und von alledem nichts mitbekommt? Und ohne Quatsch, lasst Euch nicht weismachen dass der Komatyp alles mitbekommt von den Lieben, die am Bett bei ihm sind.

Nichts! Absolut keine Erinnerungen. Aber dafür Albträume vom Schlimmsten. Einmal war ich sogar geliefert und die Umgebung wurde immer weißer, heller, Licht……


Nach dem Erwachen hatte ich immer noch so starke Atemnot, dass ich nochmals ins Land der Träume versetzt wurde und ich einen Luftröhrenschnitt bekam und Beatmung von einer Maschine. Hatte den blöden Nebeneffekt, ich hatte einen Schlauch unter dem Halsknorpel und konnte meine Stimmbänder nicht benutzen. Also nur mit Pantomime konnte ich mich irgendwie verständlich machen. Wie die Menschen so sind, so auch dort, vollkommen unterschiedlich.

Die Ärzte, für mich gaaanz ehrlich, die Götter in Weiß. Ganz liebe und wirklich gute Menschen. Wie die sich um mich gekümmert haben, so super. Einer davon hat mich immer „mein Nachbar“ genannt, weil er noch fünf Jahre zuvor von meiner Wohnadresse um die Ecke selbst gewohnt hat. Ich weiß nicht ob er mich entscheidend operiert hat, denn das ist alles Teamwork. Aber ich weiß dass die alle einen so verdammt guten Job gemacht haben, DANKEEEEEE Euch allen!!!!

Beim sehr überlasteten Pflegepersonal war das leider etwas anders. Da gab es tatsächlich einen jungen Typen, der meinte die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und die Anweisungen der Ärzte so auszulegen, wie er das für richtig hält. Will dazu nichts weiter sagen.

Und eine Helferin, die ständig lamentierte dass sie von allen gemobbt wird, aber das Arbeiten auch nicht erfunden hatte. Die Erlebnisse dazu lasse ich einfach mal weg. Was viel wichtiger ist, es sind so viele Plegeleute da, die sich aufopfern und alles (und mehr) geben, dass es den Patienten besser geht.

Jeder weiß doch, die Medizin ist das eine, die Seele spielt aber die entscheidene Rolle. Klar was ich meine? Und als sich mein erster Besuch ansagte, wurde ich sogar rasiert und so gut wie möglich zum Menschen zurückverwandelt 😉

Ich war ja nun vollkommen verkabelt. Dickes Rohr für die Beatmung, am Hals ne Kanüle für irgendwas, an jedem Handgelenk die nächsten Zugänge, durch die Nase der Schlauch zur künstlichen Ernährung, am Penis der nächste Schlauch für den flüssigen Abgang. Und am Körper die ganzen Saugnäpfe für das EKG. Und über dem Bauch kamen dann noch vier Kabel aus meinem Körper für Dinge, die ich mir nicht merken konnte.

Na ja, mit den Tagen/Wochen wurden es schon mal ein paar weniger. Jedenfalls feiere ich nun meinen neuen Geburtstag am 16.März 🙂 . Dann wurde ich ins Uni-Klinikum Greifswald auf die Wyning-Station verlegt. Um mich langsam und unter Aufsicht von der künstlichen Beatmung zu entwöhnen.

Auch die Schlucktests wurden hier absolviert, beim zweiten Mal positiv! 😀
Das bedeutet, Schlauch raus aus der Nase, selbst essen, Gott sei Dank. Wisst Ihr wie das ist wenn man auf der Herzstation mit einem Nachbarn liegt, der normal essen darf und ich kriege Zeugs durch die Nase im Schlauch?? Das duftet und dann lobt der noch, wie gut das schmeckte, ich bin fast durchgedreht!!


Na, nun durfte ich auch. Bestellte mir gleich zwei!! Becher Tomatensuppe. Sooo gut hat die noch nie geschmeckt 😀


Mit der eigenen Atmung wurde es immer besser, so schnell sogar, dass die Ärzte sich wunderten. Hat wohl vorher noch bei keinem so zügig geklappt. Und Physio stand auch täglich auf dem Programm. Dann bekam ich meinen Rollator, die ganzen Aggregate zu meiner Versorgung wurden in den Korb vom Rollator gepackt und schon war ich flexibel. Nach ein paar Tagen wurden die Strecken, die ich schaffte, immer länger.

Auch durfte ich ab und zu und jeden Tag auf den Balkon in den Sonnenschein, um mal richtig durchzuatmen. Ach, war das schön! Ich erlebte ja den Umschwung der Jahreszeiten, den immer früheren Sonnenaufgang, hauptsächlich durch das Fenster meines Zimmers. Dann kamen wieder mal die Ärzte, nahmen den Beatmungsschlauch ab und setzten ein rotes Ventil davor an meinen Halseinlass.

Dann sagte der Doc „guten Tag Herr Liebke“ und ich antwortetet wie immer, denn manche konnten von meinen Lippen lesen. Nur, diesmal kam auch mein Ton aus den Stimmbändern dazu, meine eigene Stimme. Arzt und Ärztin grinsten über den Erfolg, ich, erst irritiert, begriff schnell und dann rannen mir die Tränen über die Wangen…

Alles lief gut, kurz vor Verlegung zur Reha wurde mir auch noch ein Backenzahn unter großen Aufwand von Stunden, gezogen, weil sich im Wurzelbereich eine Ziste gebildet hat. Mit der reparierten Herzklappe muss man eben sehr vorsichtig umgehen.

Am 30.4.2019 bekam ich einen Reha-Platz in Feldberg an der Feldberger Seenlandschaft. Ich gab mir große Mühe aber es war harte Arbeit wieder selbstständig laufen zu können. Und alles andere auch. Die Walking-Stöcke waren mir eine große Hilfe die Balance beim gehen (oder besser schleichen) zu halten.

So konnte ich mir den Rollator ersparen. Und am 14.06.2019 war ich dann das erste Mal wieder zu Hause. Mittlerweile geht es mir nicht schlecht, bin aber immer noch krank geschrieben und kann wohl nicht mehr in meinen Beruf zurück. Jedenfalls nicht wie gewohnt. Mal eine Landschaft „knipsen“ geht noch, die bleibt stehen und läuft nicht weg, bis ich endlich soweit bin 😉

Aber die Hochzeiten und Reportagefotografie, das wird wohl nichts mehr. Dafür bin ich nicht mehr schnell genug. Da macht mir mein rechtes Bein und die oft versagende Feinmotorik meiner Finger einen Strich durch die Rechnung. Bin gespannt wie es weiter geht….

Update:
Seit 2020 bin ich EU-Rentner und beziehe eine bescheidene Rente. Fotografieren kann ich Landschaften und alles Ruhige eben. Wenigstens das. Und Kalender „Märkisches Licht – Romantische Mark Brandenburg“ gibt es auch wieder 🙂

In der Intensiv nach der Herz-OP
schon etwas besser
Erstmalig sprechen nach Wochen Pantomime
Kurz vor der Verlegung zur Reha
Mein Zimmer in Feldberg, Reha. Vorn links die Biografie von Ansel Adams. Meine „kleine Bibel“. 😉
Ausblick aus dem obersten Stock, Reha
Die ersten Schritte im Ausgang aus der Reha
Am Feldberger See, hier 58kg, Normalgewicht war 73kg

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